Recycling als Ressource: Plastikabfälle sind kein Müll

5 min lesen 16 Mai 2019
Deutschland ist Recycling-Weltmeister! Kein anderes Volk trennt so leidenschaftlich die eigenen zivilisatorischen Überreste. Hausmüll, Plastik, Bioabfälle, Papier – für alle Abfall-Arten gibt es die farblich passende Tonne. Bestimmt stand jeder schon mal ratlos vor selbigen und fragte sich, in welchen Behälter die zerbrochene Porzellantasse oder in welchen der Joghurtbecher gehört? Können Essensreste im Biomüll entsorgt werden? Gehört die Pralinenschachtel in den Papier- oder Plastikmüll? Und wie werden Briefumschläge mit Sichtfenster entsorgt?

Die Wege unseres Hausmülls

Bei so viel Farben und Besonderheiten fällt es schwer, den Überblick zu behalten. Informationen zur Abfallwirtschaft und meist auch ein Abfall-ABC werden in der Regel von den Entsorgungsbetrieben der Städte und Gemeinden online bereitgestellt.

Die Infografik von NABU veranschaulicht die Wege unseres Hausmülls:

  • Windeln, Asche, alte Putzlappen, Papiertaschentücher und Halogenlampen gehören in den Restmüll. Der Müll wird dann sortiert und kommt in Müllverbrennungsanlagen, mechanisch-biologische Abfallbehandlungsanlagen oder wird als Ersatzbrennstoff in Kraftwerken eingesetzt. Dadurch werden Metalle zurückgewonnen sowie Energie in Form von Wärme, Strom und Biogas produziert.
  • Zum Biomüll zählen Gartenabfälle wie Laub und Gras, aber auch Speiseabfälle und Reisig. Die Abfälle werden kompostiert, vergoren oder in Biomasseheizkraftwerken verbrannt.
  • Joghurtbecher, Tetrapaks, Konservendosen und Alufolie gehören zu den Wertstoffen. Diese werden je nach Material sortiert, zu Granulat oder zu Metallbarren verarbeitet und wieder dem Wertstoffkreislauf zugeführt. Aus Getränkeflaschen entstehen beispielsweise Fleecepullis, aus dem Milchkarton ein Eierkarton und aus einem alten Topf ein Karosserieteil.

Recycling von Plastik stößt an Grenzen

In Europa werden nur 30 Prozent aller Kunststoffe recycelt. Allerdings plant die EU bis zum Jahr 2030 sämtliche Plastikverpackungen wiederverwertbar  zu machen. Aktuell stellt sich die Situation in Deutschland laut Umweltbundesamt  so dar: 99,4 Prozent der jährlich anfallenden knapp 6,15 Millionen Tonnen an Kunststoffmüll werden wiederverwertet. Dabei unterscheidet die oberste deutsche Umweltbehörde in die Kunststoffabfälle, die:

  • roh- und wertstofflich genutzt werden. Das waren 46,7 Prozent im Jahr 2017.
  • energetisch verwertet werden (52,7 Prozent) – der Großteil davon landet in Müllverbrennungsanlagen
  • beseitigt werden (0,6 Prozent)
In Europa werden nur 30% aller Kunststoffe recycelt.

Doch warum wird nur weniger als die Hälfte recycelt?

Auch wenn auf den ersten Blick alles wie Plastik aussieht, gibt es viele verschiedene Kunststoffarten. Altglas kann eingeschmolzen und neu gegossen werden. Bei Plastik ist das leider nicht der Fall. Einige Kunststoffe würden schmelzen, andere chemisch reagieren und dadurch unbrauchbar werden. Je sortenreiner ein Kunststoff vorliegt, desto leichter lässt er sich recyceln.

Es gibt zwar seit Jahren neue Versuchsprojekte zum Recyceln von Plastik, der Königsweg befindet sich jedoch noch nicht darunter. Dabei ist die Wiederverwertung von Materialien schonender für die Umwelt als eine erneute Herstellung. Nicht zuletzt werden Kunststoffe meist aus Erdöl hergestellt: einer begrenzten Ressource.

Recycling als Ressource

Der österreichische Energiekonzern OMV AG hat längst erkannt, dass Kunststoffabfälle ein wertvoller Rohstoff sind. Was unvorstellbar klingt ist heute tatsächlich machbar: Mit ReOil-Anlagen wird aus Kunststoff Rohöl zurückgewonnen. Dafür muss der Kunststoff auf eine Temperatur von über 400°C erhitzt werden, durch die hohe Temperatur und die Zugabe eines Lösungsmittels werden die Kunststoffmoleküle zerlegt. Nach dem Vorgang wird das Lösungsmittel wieder herausdestilliert. Es entstehen zwei Produkte: verwertbares Gas und Syncrude, also Rohöl.

In der Raffinerie kann das Rohöl dann zu Benzin oder wieder zu Kunststoffen weiterverarbeitet werden. Seit 2018 wird das ReOil-Verfahren in den Anlagen bei Wien getestet. Pro Stunde können aus 100 Kilogramm Plastikverpackung 100 Liter Rohöl gewonnen werden. Dabei werden 45 Prozent weniger Treibhausgase verursacht als bei gewöhnlichem Öl und der Vorgang ist auch CO2-sparender als die Verbrennung von Kunststoffen. Wie wirtschaftlich das Verfahren tatsächlich ist, wird sich noch zeigen.

Auch der Chef von Hydrodyn, ein Hersteller und Betreiber von Recycling-Anlagen, sieht im Recycling von Plastik ein Geschäftsmodell. Die Anlagen reinigen den Müll und verarbeiteten ihn zu Granulat mit höchster Reinheit. Das Granulat ist ein weltweit begehrter Rohstoff und wird zu Folien, Platten und Rohren weiterverarbeitet.

Plastikmüll hart umkämpft

Obwohl Deutschland bekannt für die hohe Recyclingquote ist, gibt es deutlichen Verbesserungsbedarf. Zwischen der Recycling-Branche und den Müllverbrennungsanlagen tobt ein Preiskampf. Durch den Erdöl-Anteil ist Kunststoff zur Verbrennung und energetischen Umsetzung ideal. Die Reinigung und das Aufbereiten von Plastik hingegen sind kostenintensiv. Wer am meisten bietet, erhält den Zuschlag für den Plastikmüll und kann ihn weiterverarbeiten. Ein sehr wirtschaftliches, aber kein nachhaltiges Vorgehen.

Neue Ansätze und Regelungen müssen her. Mit dem Verpackungsgesetz und der damit einhergehenden Lizenzierung erfolgte schon ein Schritt in die richtige Richtung. Neben der Forschung zu neuen Recyclingmethoden geht die Entwicklung auch hin zu alternativen Stoffen, wie etwa Biokunststoffe. Das Umdenken hat längst in den Köpfen der Firmen und Verbraucher stattgefunden. Recycling oder Rückgewinnung von Rohöl sind schon vielversprechende Ansätze. Welche Methode sich letztendlich in Zukunft beim Recyceln von Plastik wirtschaftlich durchsetzen kann, wird sich erst noch zeigen.

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