Leere Parkplätze - volle Türschwelle?
Seit Wochen dominiert das Coronavirus die Medien. Die Berichterstattung und die Unsicherheit führten und führen teilweise noch zu Hamsterkäufen. Käuferpsychologisch interessant: Leere Regale suggerieren einen (drohenden) Mangel, der faktisch gar nicht existiert. Welche Folgen hat das Corona-Virus für den Handel?
Während im Netz zu diesem Klopapier-Paradoxon die witzigsten Inhalte kursieren, hat die aktuelle Situation für den Handel jedoch weitreichende und teilweise existenzbedrohende Folgen. Der Einzelhandel verliert – der Onlinehandel gewinnt? Ist es so? Fest steht: Auch für diejenigen, die die Krise wirtschaftlich überstehen, wird das Business danach ein anderes sein.
Zu kämpfen haben gerade alle. Es gibt Branchen, die können auch mit viel Fantasie mit keinem Plan B aufwarten. Die Touristikbranche kann die gebuchten Pauschalreisen nicht virtuell anbieten. Es steht zu befürchten, dass nicht nur die gebuchten Reisen an Ostern oder Pfingsten betroffen sein werden – keiner kann zum aktuellen Stand vorhersehen, ob sich die Situation zu den Sommerferien entspannt haben wird.
Das gleiche gilt für Künstler jeglicher Sparten. Auch wenn das Konzert oder der Comedy-Abend natürlich übers Netz übertragen werden kann – das wesentliche Element, nämlich das Gemeinschaftserlebnis, lässt sich eben nicht übertragen – sondern eben lediglich vertagen. Mit der Aktion #AktionTicketBehalten appellieren Veranstalter an die Solidarität gegenüber der Branche.
Tanzschulen, Fitnessstudios oder Musiklehrer bieten ihren Schülern Online-Kurse. Diese Angebote werden im Augenblick auch, unter dem Reiz des Neuen, ganz gut angenommen. Die Solidarität der Mitglieder, zum Beispiel im Tanzstudio, ist groß. Was aber, wenn das vertraglich vereinbarte Angebot über weitere Monate nicht angeboten werden kann und das zahlende Mitglied auf der anderen Seite selber gezwungen ist, zu sparen? Auch sind die allermeisten Maßnahmen deutlich erkennbar „improvisiert“, es fehlt die Planungs- und Vorlaufzeit.
Die fehlende Planung gilt größtenteils auch für die Gastronomie und den Einzelhandel. Take-Away-Angebote und Liefer-/Bringdienste sowie der Ladenbummel in der Boutique per Video-Anruf sind neu, kreativ und charmant – und werden von einer Gruppe der Stammkunden auch solange bereitwillig in Anspruch genommen, solange der eigene Geldbeutel durch Kurzarbeit, eigene Umsatzeinbrüche und Auftragsflaute noch mitmacht. Schon jetzt bricht der Umsatz, der über „Laufkundschaft“ gemacht wurde, komplett weg.
Dann verlagert sich der Umsatz also komplett zum Onlinehandel? Nein. Durch die sozialen Einschränkungen verbringen Verbraucher die meiste Zeit zu Hause: ob bei der Arbeit im Homeoffice, in der Freizeit oder unter Quarantäne. Das Coronavirus ist nicht nur Gesundheitsrisiko, sondern hat Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft. Insgesamt sorgt die Ausbreitung des Coronavirus und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen weltweit und branchenübergreifend für sinkende Aktienkurse.
Zwar haben Onlineshops rund um die Uhr geöffnet und müssen keine neuen Vertriebswege finden und aufbauen. Der Onlinehandel wird die Auswirkungen ganz klar am wenigsten spüren. Aber in Zeiten der Corona-Krise profitiert auch der Onlinehandel nur bedingt. Die Kunden sind verunsichert. Ein Fünftel gaben an, größere Anschaffungen erstmal zu vertagen. Auch der Onlinehandel mit Mode verzeichnet bereits sinkende Suchanfragen.
Im März 2020 hat der Händlerbund 412 E-Commerce-Unternehmen zur aktuellen Situation befragt:
Dazu kommt:
Eine Befragung unter mehr als 130 Mitgliedsunternehmen des BEVH ergab, dass
Die ersten Auswirkungen, die die Situation auf Online-Generalisten wie Amazon hat, werden bereits sichtbar: Mehr Menschen bestellen essentielle Artikel wie Lebensmittel ,Drogerieprodukte und Haushaltsartikel bei Amazon. Um Engpässe zu vermeiden, priorisiert der Versandhändler daher ab sofort solche Bestellungen. Bei anderen Produktkategorien kann es deswegen zu Lieferzeiten von fast einem Monat kommen. Amazon zufolge wird das priorisierte Versenden noch bis mindestens zum 5. April 2020 gelten.
Wer derzeit also Bücher, Spielwaren (Ostern kommt!), Unterhaltungselektronik oder einen neuen Drucker benötigt, der wird auf das Onlineangebot von „Spezialisten“ wie Thalia, Müller, Mediamarkt oder Conrad Electronics ausweichen. Vom derzeit generell „kleinen Kuchen“ werden also diese Online-Anbieter vermutlich am meisten abbekommen.
Bleibt abzuwarten, wie die Online-Riesen diese Kundschaft zurückerobern wird. Aber ein einfaches Prinzip wird ihnen hier nützen: Der Kunde macht sich das Einkaufen gerne möglichst einfach. Bevor auf mehreren Webseiten nach den gewünschten Produkten gesucht und mehrere Bestellvorgänge abgeschlossen werden, sind wir in der Regel bereit für einzelne Artikel ein wenig mehr zu zahlen – solange wir sie von einem einzigen Anbieter bekommen können.
Um Kontakte außerhalb des Hauses möglichst gering zu halten, wird auch im Supermarkt gerade nur das Nötigste gekauft. Drogerieartikel wie Windeln, das gewohnte Duschgel oder die Handcreme, aber auch Lebensmittel werden daher vermehrt online bestellt. Dieses neue Kaufverhalten könnte sich über die nächsten Wochen „einprägen“ – und so auch nach der Krise Bestand haben. Für Onlineshops gilt also: Das Sortiment aufgrund des veränderten Konsumentenverhalten zu überdenken und gegebenenfalls anzupassen.
https://www.haendlerbund.de/de/news/presse/3297-corona-studie-handel-2020https://www.adzine.de/2020/03/medienkonsum-und-kaufverhalten-verlierer-und-gewinner/https://www.e-commerce-magazin.de/onlineshopping-boomt-diese-produkte-kaufen-die-deutschen-in-der-krise/https://www.adzine.de/2020/03/medienkonsum-und-kaufverhalten-verlierer-und-gewinner/